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24. März 2022
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24. März 2022

Selbst­be­stim­mung beson­de­rer Kin­der

“Aber das muss doch sein” – Selbst­be­stim­mung bei beson­de­ren Kin­dern

Jeder Mensch möch­te über sich bestim­men. Wie sehr has­sen wir es, wenn wir eine:n Chef:in haben, die/der uns stän­dig sagt, was wir zu tun und zu las­sen haben? Wie sehr waren wir frü­her vom Stun­den­plan in der Schu­le genervt, der uns zwang, mor­gens auf­zu­ste­hen und uns The­men zu stel­len, die wir nicht moch­ten? Wie ätzend war es, wenn unse­re Eltern uns Vor­schrif­ten gemacht haben?

Und dann kommt der Moment, wo wir die­se Eltern sind. Wo wir eine gro­ße Ver­ant­wor­tung über­neh­men. Näm­lich die für unse­re Kin­der. Wie schnell pas­siert es dann plötz­lich, dass wir über ein ande­res Men­schen­le­ben bestim­men? Das Kind kann nicht bestim­men wo es lebt, in wel­cher Umge­bung oder auch wer sei­ne Bedürf­nis­se nach Essen, Trin­ken, Für­sor­ge, Lie­be usw. befrie­digt. Die­ses Kind ist von uns abhän­gig. Es kann sich noch nicht um sich selbst küm­mern.

Bei gesun­den Kin­dern ist sehr schnell zu spü­ren, dass da von Beginn an ein eige­ner Wil­le ist. Der wird als Neu­ge­bo­re­nes mit Wei­nen geäu­ßert, bei mei­nem sie­ben Mona­te altem Sohn gera­de auch mit Knur­ren, spä­ter zei­gen und sagen die Kin­der was sie wol­len. Oder wenn ihnen etwas miss­fällt und der Wort­schatz noch nicht aus­reicht, wird auch mal gehau­en, gewor­fen, getre­ten …

Auch beson­de­re Kin­der haben ihren eige­nen Wil­len. Sie haben nur manch­mal ande­re Wege, um ihn zum Aus­druck zu brin­gen.

Aber wie sehr kann ein beson­de­res Kind über sich bestim­men? Geht das? Pfle­ge­be­dürf­tig sein und selbst­be­stimmt? Ich den­ke, das ist mög­lich. Viel­leicht bin ich zu opti­mis­tisch. Aber ich blei­be dabei – es ist mög­lich. Wenn wir auf­merk­sam sind. Wir, die Pfle­ge­per­so­nen. Ein Kind mit Weg­lauf­ten­denz, wel­ches kei­ner­lei Gefah­ren­ein­schät­zung hat, kann im Stra­ßen­ver­kehr nicht selbst bestim­men, wohin es sich bewegt. Dafür kann es durch­aus ent­schei­den, wann und was es spie­len will. Ein Kind, wel­ches nicht ver­bal mit uns spre­chen, aber Nah­rung zu sich neh­men kann, kann durch­aus selbst ent­schei­den, wie viel und was es essen will. Wir müs­sen nur auf sei­ne Zei­chen ach­ten. Zei­chen wie ein Zei­gen, ein Blick oder ein Weg­dre­hen, wenn es satt ist bei­spiels­wei­se.

Selbst­be­stim­mung ist Frei­heit für mich. Gesun­den Kin­dern geben wir schon eine gan­ze Men­ge vor. Wann sie in die Kita sol­len damit wir arbei­ten kön­nen, wann sie sich Besuch ein­la­den dür­fen, wo sie wie woh­nen … Bei beson­de­ren Kin­dern ist noch viel mehr vor­ge­ge­ben. Arzt­ter­mi­ne, The­ra­pie­ter­mi­ne, even­tu­ell noch Medi­ka­men­ten­ga­ben oder ande­re medi­zi­ni­sche Maß­nah­men. Des­halb ist es umso wich­ti­ger die Berei­che wo Selbst­be­stim­mung mög­lich ist, frei zu las­sen. Dem Kind zu ver­trau­en, dass es intui­tiv für sich ent­schei­det. Dem Kind die Mög­lich­keit las­sen sich aus­zu­pro­bie­ren, Erfah­run­gen zu sam­meln und viel­leicht sogar eige­ne Erfolgs­er­leb­nis­se zu schaf­fen.

Manch einer wird das lesen und sich den­ken „Aber es gibt eben Din­ge, die müs­sen sein“! Ja, klar. Ein Kind mit Dia­be­tes muss Blut­zu­cker­mes­sun­gen und Insu­lin bekom­men. Das kann nicht bestim­men, dass wir das jetzt mal ein­fach alles weg­las­sen. Und ein Kind mit einem Tra­cheo­s­to­ma wel­ches nicht adäquat Hus­ten kann, muss sehr wahr­schein­lich hin und wie­der Sekret abge­saugt bekom­men. Und ein Kind mit mus­ku­lä­rer Schwä­che braucht Phy­sio­the­ra­pie zur Stär­kung und zur Ver­mei­dung stei­fer Gelen­ke. Ja. Ich weiß. Für mich stellt sich hier die Fra­ge des wie und wie oft. Mer­ke ich als Pfle­ge­per­son, dass ich in die Gren­zen des Kin­des ein­schrei­te? Habe ich Respekt davor? Oder ist es mir egal?

Neh­men wir das Bei­spiel mit dem Absau­gen. Kann das Kind sich und sei­nen Kör­per spü­ren? Dann wird es auch spü­ren, wenn es abge­saugt wer­den muss. Kann ich mit dem Kind Zei­chen ver­ein­ba­ren? Dann könn­te ich auf die­ses Zei­chen war­ten mit dem Absau­gen. So kann das Kind wenigs­tens den Zeit­punkt selbst bestim­men. Ist kei­ner­lei Abspra­che mög­lich, muss ich dem Kind wenigs­tens Bescheid geben, bevor ich mit dem Absau­gen begin­ne.

Ich fin­de zwei Aspek­te wich­tig beim The­ma selbst­be­stimm­tes, pfle­ge­be­dürf­ti­ges Kind:

  1. Das Kind bekommt nur da unse­re Füh­rung, wo es die­se benö­tigt. Pfle­ge­be­dürf­tig heißt nicht auto­ma­tisch, es ist in allen Lebens­be­rei­chen Fremd­be­stim­mung nötig. Also soll­te die Fra­ge immer sein: Wo kann ich mein (zu pfle­gen­des) Kind ein­fach las­sen?
  2. Wenn das Kind Ein­grif­fe ertra­gen muss, kann es viel­leicht ande­res bestim­men. Also soll­te die Fra­ge immer sein: Was kann das Kind hier­bei selbst bestim­men?

Ich möch­te euch ermu­ti­gen: Wenn das Kind Din­ge über (Kör­per-) Spra­che äußern kann, dann hört und schaut hin. Wenn Papa die Zäh­ne put­zen soll und Mama vor­le­sen – dann macht das, wenn es euch mög­lich ist. Allei­ne, dass sie es äußern kön­nen, ist ein Geschenk! Und ihr macht ihnen das Geschenk der Selbst­be­stim­mung. Denkt dran: Ihr bestimmt auch wo ihr arbei­tet, mit wem ihr lebt und ob ihr Fern­se­hen schaut oder ein Buch lest. Gesteht das Recht der Frei­heit und Selbst­be­stim­mung wo immer es mög­lich ist, auch euren Kin­dern zu.

Und wenn ihr glaubt, bei eurem Kind sei das gar nicht mög­lich, oder ihr stoßt mit dem Wil­len eures Kin­des an eure Gren­zen oder ihr als Eltern seid unei­nig bezüg­lich der Selbst­be­stim­mung eures Kin­des, dann ruft ger­ne bei uns an und fragt nach mir. Ger­ne ste­he ich euch bera­tend zur Sei­te!